Öffentliches
Der Holunder ist bei weitem nicht die einzige "Wildfrucht", die genutzt werden kann. Einige davon sind häufig und relativ gut bekannt, andere seltener oder weniger bekannt, und ein paar davon sind giftig - zu einem kleinen Teil sogar unter Umständen tödlich. Ich habe nun allerdings nicht die Absicht, ein Kompendium zusammenzustellen, außerdem kenne ich gewiß nicht wirklich alle. Ein paar, von denen ich im Lauf der Zeit "Standorte" kennengelernt habe, sind mir allerdings wichtig. Deshalb habe ich diese kleine Übersicht zusammengestellt. Erwarten Sie nicht zuviel, es ist lediglich eine kurze Auflistung.
Hagebutten
Die meist leuchtend roten Früchte der Hundsrose (rosa canina, alle Rosen bilden aber Hagebutten aus, und es gibt mit der Bibernellrose (rosa spinosissima) auch eine Art, die blauschwarze Hagebutten trägt) gehören zu den auffälligsten Farbtupfern des Herbstes. Etwa ab Mitte September werden sie reif. Hagebutten sind Sammelfrüchte, die viele kleine Nüsse enthalten. Das Fruchtfleisch entsteht aus dem fleischigen Blütenboden, die Nüßchen (Kerne) sind mit feinen mit Widerhaken bestückten Härchen bedeckt, die bei Hautkontakt Juckreiz hervorrufen. Im Oktober, wenn die Tage kühler werden, weicht das ursprünglich harte Fruchtfleisch auf, die Hagebutten werden matschig. Viele Tiere, vor allem Singvögel und Nagetiere wie Mäuse und Eichhörnchen nutzen das für sie reichhaltige Nahrungsangebot, holen sich gern die roten Früchte und tragen so auch zur Verbreitung der Wildrosen bei.
Ein großer Strauch kann mehrere Kilogramm Hagebutten tragen. Das einzige, was lästig werden kann, sind die Dornen, man holt sich bei der Ernte unweigerlich ein paar kleine Kratzer.
Hagebutten gelten zu recht als ausgesprochen wertvolle Früchte. Der sehr hohe Vitamin- (insbesondere Vitamin C) und Fruchtsäuregehalt macht diesen Wert aus.
Man kann fast alles mit ihnen anstellen, was man sonst auch mit/aus irgendeinem Obst macht, nur Saft enthalten sie nicht. Getrocknete Fruchtschalen ergeben einen durchaus wohlschmeckenden Tee, dem zusätzlich möglicherweise zu recht helfende Wirkung bei der Bewältigung von Erkältungskrankheiten zugeschrieben wird. Und auch Hagebuttenwein gehört zu den wohlschmeckendsten Fruchtweinen, entfaltet sein volles Bukett aber erst nach mehreren Jahren. Alle Hagebutten, auch die großen Früchte der Kartoffelrose, können verarbeitet werden. Und wenn man sich bei der Verarbeitung der Früchte die Mühe macht, die kleinen Kerne bzw. Nüßchen herauszupulen, kann man diese Kerne trocknen lassen und im Winter als Vogelfutter aufs Fensterbrett streuen. Das ergibt einen lebhaften Flugverkehr...
Vor dem Holunder sollst du den Hut ziehen heißt es. Das gilt mindestens im gleichen Maß auch für Hagebutten. Es gibt keine andere einheimische Frucht, die auch nur entfernt denselben Vitamin-C-Gehalt erreicht. Bezogen auf die Hagebutte kann man auch postulieren, daß, was gesund sein soll, gefälligst auch gut zu schmecken hat. Diese Bedingung wird von Hagebutten sogar übererfüllt.
Sanddorn
Leider gibt es in unmittelbarer Umgebung Berlins nur ganz wenige Stellen, an denen Sanddorn wächst. Er kommt in Küstenregionen häufiger vor, bekannt sind die Sanddorngebüsche auf Hiddensee. Ursprünglich stammt Sanddorn wahrscheinlich aus den Hochtälern des Himalaya und hat sich während der letzten Eiszeit über ganz Europa und Asien ausgebreitet. Er gilt als Pionierpflanze an Dünen und Stränden.
Interessant ist am Sanddorn, daß es sich um eine zweihäusige Pflanze handelt, also männliche und weibliche Sträucher vorkommen. Die Sträucher pflanzen sich aber auch ungeschlechtlich durch Ausläufer fort und die Schnellwüchsigkeit der Sanddorngehölze führt dazu, daß auch ein radikaler Verschnitt während der Ernte durchaus gut verkraftet wird und sogar noch zu gesteigerter Fruchtfülle in nachfolgenden Jahren führen kann.
Sanddornfrüchte haben einen sehr hohen Vitamin-C-Gehalt: 200 bis sogar 900 und mehr Milligramm je 100 Gramm. Das übersteigt den einer Zitrone oder Orange (je etwa 50 Milligramm) um ein Vielfaches, nur Hagebutten liegen mit einem Gehalt von 1250 Milligramm je 100 Gramm noch darüber. Darüberhinaus weist Sanddorn einen bedeutenden Gehalt an Beta-Karotin und Gerbstoffen auf und enthält erstaunlich viel Öl. Für die Fruchtweinbereitung ist Sanddorn vor allem wegen dieses Öls sowie wegen der im Saft enthaltenen Gallussäure (einem Benzoesäureabkömmling) etwas problematisch, aber die Früchte ergeben einen wunderbaren wohlschmeckenden Saft, der auf ganz verschiedene Weise weiterverarbeitet werden kann. Nur bereitet die Ernte etwas Mühe. Auf Hiddensee gibt es die Gepflogenheit, die fruchttragenden Äste zu "melken", das heißt, die kleinen Beeren werden direkt am Ast ausgequetscht und der auslaufende Saft in Eimern aufgefangen. Man braucht sehr derbe Handschuhe dazu.
Die Früchte sitzen mit nur millimeterlangen winzigen Stielchen unmittelbar am Ast und lassen sich kaum einzeln abpflücken. Wenn sie ausgereift sind, sind sie auch noch sehr druckempfindlich und platzen leicht, so daß der kostbare Saft ausläuft. Der Ausweg besteht darin, dann eben die fruchttragenden Äste abzuschneiden, Blätter, kleinere Ästchen und die Dornen sowie Spinnennetze und andere Verunreinigungen (auch hier gibt es, wie bei Schwarzem Holunder, meist einen regelrechten Tiergarten) zu entfernen und sie in etwa 20 Zentimeter lange Stücke zu zertrennen. Die kann man dann mitnehmen und zuhause die kleinen Früchte auslesen.
Das ist allerdings schwieriger als bei anderen Früchten. Man kann sie mit einer Gabel abzustreifen versuchen oder tatsächlich mit einer kleinen Schere einzeln abschneiden, mühsam wird es auf jeden Fall. Letzten Endes hilft es, die Aststückchen mit den Früchten über Nacht einzufrieren. Dann lassen sie sich am nächsten Tag ohne allzuviele Verluste abzupfen oder abklopfen. Auch bei der gewerblichen Nutzung wird so vorgegangen, die Aststücke werden schockgefrostet und dann maschinell abgerebelt. Im privaten Haushalt kann man, wenn man die Mühe scheut, auch noch so vorgehen, daß die möglichst sauber verschnittenen Aststückchen so wie sie sind in den Dampfentsafter gelegt werden - es gibt ein paar Literaturstellen, die das sogar empfehlen. Das bißchen Holzanteil macht nichts und beeinträchtigt den Geschmack des Sanddornsaftes nicht, solange es an der Gesamtmenge bzw. dem Gesamtgewicht nicht mehr als 15 Prozent ausmacht.
Roh kann man Sanddorn leider nicht verwenden; nicht nur wegen des hohen Säuregehalts, sondern vor allem, weil an den Fruchtschalen immer ein paar Verunreinigungen haften. Waschen kann man die höchstens einen Zentimeter großen Früchte auch nicht. Also geht es nicht ohne einen Entsafter, das kann allerdings auch eine Zentrifuge sein. Danach muß der Saft gesüßt und gründlich abgesiebt werden. Eine Hitzebehandlung wie bei Schwarzem Holunder ist nicht zwingend erforderlich, kann aber die Haltbarkeit deutlich verbessern.
Ebereschen
Im August beginnen sich die Dolden der "Vogelbeere" auszufärben. Die Eberesche (Sorbus aucuparia) kann ein bis 25 Meter hoher Baum werden. Hartnäckig hält sich die Ansicht, daß ihre Früchte giftig seien. Das sind sie nicht, allerdings schmecken sie einfach nicht, sie sind zu bitter. Der Geschmack wird durch Apfelsäure, Gerbstoffe und vor allem Parasorbinsäure bestimmt, die dem Menschen den Genuß der Beeren trotz ihres Zuckergehaltes von über 10% verleidet. Vögel stören sich nicht daran und vertilgen die Beeren offensichtlich mit Vergnügen. Dieser Bittergeschmack kann durch längeres Einfrieren deutlich gemildert werden, verliert sich aber niemals ganz.
Die Eberesche war in Deutschland der Baum des Jahres 1997.
Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurde man in Mähren, in der nördlichen Tschechei, auf Bäume aufmerksam, deren Beeren deutlich größer waren und erstaunlicherweise gar nicht bitter schmeckten. Eine Mutante, die auf natürliche Weise entstanden war. Diese "mährische Eberesche" wurde schon bald kultiviert und in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg auch häufig im Osterzgebirge als Alleebaum an Feldwegen und Straßen gepflanzt. Sie galt als "Arme-Leute-Obst" wegen ihres unglaublichen Vitamin- und Fruchtsäurereichtums, außerdem war das Holz in der Spielwarenindustrie und zu Drechslerarbeiten sehr begehrt. Im gleichen Maß, in dem sich die Lebensumstände verbesserten und veränderten und beispielsweise Zitronen wieder zur Verfügung standen, gerieten viele dieser Alleen in Vergessenheit. Aber es gibt sie heute immer noch, mit teilweise imposanten alten und zahlreichen jungen, offenbar durch Selbstaussat oder durch die Vögel weiterverbreiteten Bäumen.
Die Früchte sind mehlig und enthalten kaum Saft. Es ist nicht möglich, mit dem Dampfentsafter ein befriedigendes Ergebnis zu erzielen. Die Beeren lassen sich aber im Rohzustand (mit viel Zucker) verzehren, man kann sie zu Marmelade oder Fruchtmus verarbeiten, und sie sind sehr gut geeignet, über eine Maischegärung einen Fruchtwein herzustellen.
Mahonien
Die Mahonie (mahonia aquifolium) stammt ursprünglich aus dem nördlichen Amerika und ist mit der einheimischen Berberitze, die ebenfalls ein Sauerdorngewächs ist, biologisch verwandt. Die Pflanzen wurden zu Beginn des 19. Jahrhunderts als Ziergesträuche importiert und kommen heute in Mitteleuropa auch verwildert vor.
Mahonien sind immergrün und winterhart, die ledrigen, dunkelgrün glänzenden Blätter können sich im Spätherbst und Winter rötlich verfärben. Die Pflanzen wurden vor allem wegen ihrer leuchtend gelben und bereits im März erscheinenden auffälligen Blüten eingeführt, da sie in Sträuchern und niedrigen Hecken für die ersten Farbtupfer des Frühjahrs sorgen - womit unbeabsichtigt auch eine ertragreiche Bienenweide erzielt wurde. Die Sträucher können bis etwa 1,80 Meter hoch werden.
Die Früchte bilden sich an aufrecht stehenden Rispen aus, färben sich ungefähr im Juli/August blauschwarz um und tragen eine Bereifung ähnlich dem Erscheinungsbild von Schlehen. Sie können sich bis weit in den Winter hinein an den Sträuchern halten, die Beeren können ziemlich fest an den Rispen sitzen, so daß die Vögel Mühe haben, sie abzureißen und zu fressen. Rosinenartig angetrocknete Früchte können noch zu finden sein, wenn im März bereits die neuen Blüten erscheinen.
Literaturangaben zur Mahonie sind außerordentlich widersprüchlich. Festzustehen scheint, daß Wurzeln, hölzerne Bestandteile und die Kerne der Früchte ein als giftig geltendes Alkaloid Berberin enthalten. Im Fruchtfleisch scheint dieses Akaloid kaum nachweisbar, es liegt wohl bei unter 0.03% und verliert sich im Lauf des Jahres. Trotzdem: ein Mahonienwein war in den knapp drei Jahrzehnten, in denen ich einigermaßen regelmäßig Fruchtweine hergestellt habe, der einzige, der (allerdings auch, weil ich ihm reichlich zugesprochen hatte) am nächsten Morgen leichte Kopfschmerzen hervorrief. Dafür ist ein Mahonienwein aber allein dewegen, weil er sich vollständig klärt, im Glas rubinrot und absolut klar funkelt und ein unglaubliches Bukett entfaltet, eine Besonderheit, die ich sogar noch vor der Hagebutte einordnen möchte. Leider gelingt es nur sehr, sehr selten, die erforderliche Menge reifer Früchte einzusammeln.
Die wenigsten Menschen wissen, daß man ein paar der schwarzblauen Früchte durchaus einmal essen kann. Es ist lediglich darauf zu achten, daß man die kleinen Kerne nicht zerbeißt, aber das kennen Sie ja schon. Einige wenige Früchte genügen, um den Vitamin-C-Bedarf für einen Tag zu decken, darüberhinaus enthalten sie deutlich mehr Zitronensäure als die Zitrone selbst und insgesamt sind sie geradezu Vitaminbomben. Zur Saftgewinnung genügt es, sie mechanisch auszuschleudern (im Dampfentsafter werden die geschmacksbildenden Stoffe zerstört und verfälscht). Es sollte lediglich darauf geachtet werden, die kleinen Kerne nicht aufzureißen. Dann kann der Saft auf allen Wegen weiter verarbeitet werden. Probieren Sie es aus, indem Sie Ihren Freunden ein Vanilleeis mit Mahoniensauce anbieten ...
Traubenkirschen
Ähnlich wie die Mahonie ist auch die Traubenkirsche (Prunus serotina) ursprünglich keine einheimische Pflanze - allerdings gibt es eine einheimische Verwandte. Traubenkirschen wachsen als Sträucher oder bis etwa 20 Meter hohe Bäume. Vor ungefähr 300 Jahren wurde in den Niederlanden mit großflächigen Aufforstungen begonnen, und von dort aus drangen die Bäume in südlicher Richtung vor - im wesentlichen durch Vögel. Erst spät wurde bemerkt, daß sich damit in Europa ein problematischer Neophyt ausbreitete, der heute häufig bekämpft wird.
Die Früchte sind grundsätzlich eßbar (allerdings könnten Traubenkirschen mit dem leicht giftigen Kirschlorbeer verwechselt werden). Sie hängen in ungefähr zehn Zentimeter langen Rispen an den Zweigen und verfärben sich während der Reife von grün über rot nach blauschwarz. Ihr Geschmack ähnelt dem Geschmack der Sauerkirsche mit einer leicht bitteren Note. Das Fruchtfleisch liegt allerdings nur als dünner Mantel um den großen Kern, damit sind Traubenkirschen nicht sehr ergiebig. Dennoch kann sich eine Ernte lohnen, da man sie in sehr großen Mengen finden kann. Irgendwelche giftigen bzw. unverträglichen Inhaltsstoffe im Fruchtfleisch sind nicht bekannt, aber Blätter, Blüten, Rinde und die Fruchtkerne enthalten Blausäureglycoside.
Aus Traubenkirschen läßt sich ein wohlschmeckender Saft gewinnen, man kann sie grundsätzlich wie jedes andere Obst behandeln.