Christoph Schnauß


Öffentliches

  Schwarzer Holunder (Sambucus nigra) Schwarzer Holunder - Blüte

Schwarzer Holunder gehört zu den auffälligsten Gewächsen, die meisten kennen ihn vermutlich. Im Juni, zur Blütezeit, sind die weißen Blüten nicht zu übersehen, zudem verströmen sie ihren auffälligen Duft. Und im September erkennt man auch die dunklen Dolden auf größere Entfernung. Es gibt einige regional unterschiedliche Namen (z.B. wird er manchmal auch Flieder genannt), in diverser Literatur wird gern daran erinnert, daß der Holunder in der "Volksmedizin" eine Rolle gespielt habe, im Internet gibt es ganze Diplomarbeiten, die sich mit den Anbaumöglichkeiten auf Plantagen beschäftigen, während andere Internetadressen ihn auf der Liste der Giftpflanzen führen. Thomas von Aquino sprach einst ehrfurchtsvoll von der Apotheke Gottes, und in manchen ländlichen Gegenden erinnert man sich noch immer des Spruchs "vor dem Holunder sollst du den Hut ziehen", der bisweilen auch Sebastian Kneipp zugeschrieben wird. Kein Zweifel: man kann ihn vielfältig nutzen (wenn auch gewiß nicht medizinisch). Es macht halt nur ein bißchen Arbeit.

Gegen Ende Mai erscheinen die weißen Blüten, die Blütezeit kann je nach der geografischen Lage bis in den Juli hineinreichen. Dort, wo mehrere Sträucher dicht nebeneinander stehen, fallen die Blüten nicht nur durch ihr Aussehen, sondern auch durch ihren spezifischen Duft auf. Schwarzer Holunder stellt keine besonderen Ansprüche an den Boden, gedeiht an Feldrändern und auf Böschungen ebenso wie auf Waldlichtungen. Er gilt als frosthart und wird nur von wenigen Schädlingen befallen. Und es gibt auch nur wenige Vögel, die die Beeren tatsächlich fressen, Säuger (Mäuse, Hörnchen, Rehwild) meiden die Früchte und auch die Blätter. Rinder oder Pferde, die Holunderblätter fressen, können dadurch Koliken bekommen und sogar sterben.

Regional unterschiedlich und auch ein wenig vom Wetterverlauf abhängig beginnt die Fruchtreife Anfang September - z.B. können längere und kältere Winter bis zu vierzehn Tagen Verzögerung bedeuten und bei sehr milden Wintern und heißen Frühlingstagen setzt die Fruchtreife bis zu 14 Tagen eher ein. Die "Erntezeit" kann sich bis in die erste Oktoberwoche hineinziehen, spätestens nach den ersten kühleren Nächten fallen aber nicht nur die Blätter, sondern auch die Beeren einfach ab - oder vertrocknen.

Wenn man im Herbst Holunderbeeren ernten möchte, muß man darauf achten, wirklich nur die vollreifen Früchte abzunehmen. Das heißt, nur die Dolden, die dunkelviolette (fast blauschwarze) Früchte tragen, sind erntefähig. Besonders zu Beginn der Erntezeit muß man da etwas genauer hinschauen, es kann durchaus vorkommen, daß eine Dolde sowohl reife wie auch unreife (grüne bis rote) Beeren enthält. Die sollte dann am Strauch verbleiben, bis sie vielleicht vierzehn Tage später ebenfalls ausgereift ist. Andererseits gibt es immer wieder einzelne Dolden, deren Beeren überhaupt nicht ausreifen. Das Eigengewicht der Früchte führt dazu, daß die Dolden an den Zweigen hängen, im Gegensatz zu den aufrecht stehenden Blüten. Im Idealfall sehen Dolden mit reifen Beeren so aus wie auf dem Foto.

Schwarzer Holunder - Früchte

Alle "grünen" Bestandteile des Schwarzen Holunders, also Blätter, Stiele und auch die unreifen Beeren, enthalten ein Glykosid Sambunigrin, das giftig ist (es setzt unter anderem Blausäure frei) und zu Erbrechen, Durchfall, Schwindelgefühlen führen kann (insbesondere bei Kindern). Die ausgereiften Früchte enthalten diesen Stoff nicht mehr, aber er wird auch durch Erhitzen über 80°C zerstört. Das ist einer der Gründe, weshalb Schwarzer Holunder nicht zum Verzehr in rohem Zustand geeignet ist. Pasteurisieren reicht jedoch aus, um diesen Giftstoff unwirksam zu machen.

Die Dolden werden als Ganzes abgeschnitten oder abgebrochen, es darf ruhig ein etwas längerer Doldenstiel verbleiben. Das geht relativ rasch, meist trägt ein einzelner größerer Strauch bereits so viele Früchte, daß die Menge ausreicht, um den Entsafter zuhause einmal zu füllen (und die zeitraubende "Hauptarbeit" hat man erst zuhause). Für den Transport sollte man darauf achten, die Beeren möglichst zu schonen und nicht zu drücken - auch nicht zuviele Dolden übereinander in einen Eimer oder Korb zu legen, da sich die Beeren durch ihr Eigengewicht zerdrücken können.

Holunder muß am selben Tag verarbeitet werden, an dem er geerntet wurde (man kann einen Eimer mit Dolden bis zu höchstens zwei Tagen im Kühlschrank aufbewahren). Es setzt sehr schnell Schimmelbildung und eine leichte Gärung in den Früchten ein. Das liegt daran, daß die kleinen Beeren sehr viel Saft enthalten und im Verhältnis zu ihrem Volumen eine enorm große Oberfläche aufweisen, auf der sich ja immer zahlreiche Sporen, und darunter auch wilde Hefen, ansiedeln. Holunder dürfte gehandelt werden. Seine Verderblichkeit trägt aber dazu bei, daß Sie ihn so gut wie nie auf einem Markt finden werden.

Schwarzer Holunder - Ernte

Die Beeren müssen von den Stielen abgestreift werden, am besten manuell (auch wenn das sehr farbige Finger ergibt). Es gibt mehrere Gründe dafür:
- in den Blättern und Stielen ist, wie bereits erwähnt, der Giftstoff Sambunigrin enthalten
- Stiele und Blätter verderben den Geschmack des Safts (grasig/holzig, leicht bitter)
- es gibt oft Verunreinigungen wie Spinnweben oder vertrocknete Blätter, hie und da auch Vogeldreck
- vor allem aber sind die Dolden jeweils kleine Tiergärten. Kleine Schnecken, Spinnen, Blattläuse und Blattwanzen, Marienkäfer und allerhand anderes Kleingetier ernährt sich teilweise von den Säften oder voneinander und fühlt sich zwischen den Beeren sehr wohl. Beim Abnehmen der Dolden kann man noch so sehr darauf achten, nichts mitzunehmen - die Tierchen sind immer irgendwo dazwischen. Und sie sollen ja nicht als "Beilage" im späteren Saft landen.

Dieses Abzupfen der Beeren von den Dolden ist enorm zeitraubend und auch ein bißchen langweilig. Beim Abbeeren (Entrappen) sollte sich ungefähr das nebenstehende Ergebnis zeigen.

Für die Saftgewinnung reicht ein handelsüblicher Dampfentsafter aus. In der Regel haben diese Geräte im Früchtekorb ein Volumen von 5 bis 7,5 Liter, das entspricht ungefähr 5 Kilogramm Holunderbeeren. Eine Entsafterfüllung mit ca 5,5 Kilogramm Holunderbeeren ergibt rund vier Liter reinen Holundersaft, der in Flaschen verfüllt werden kann. Wenn man sauber genug arbeitet, ist dieser Saft mehrere Jahre lang haltbar.

Traubenkirsche

"Reiner" Holundersaft ist nicht jedermanns Sache. Was manchmal mit relativ hohen Preisen im Handel angeboten wird, sind Verschnitte mit anderen Fruchtsäften, beispielsweise mit Schwarzem Johannisbeersaft. Ich habe mehr oder weniger zufällig unweit einiger Holundersträucher Traubenkirschen gefunden und nehme gern deren Früchte als Zusatz.

Traubenkirschen werden ebenfalls im August/September reif, färben sich dann schwarzblau um und haben einen deutlichen, leicht bitteren und sehr erfrischenden Kirschgeschmack. Man sollte sie aber wirklich nur nehmen, wenn man sich sicher ist - es gibt mit der Lorbeerkirsche einen sehr ähnlich aussehenden und leider leicht giftigen Verwandten. Zwei Handvoll Traubenkirschen gebe ich dem Holunder bereits beim Entsaften dazu, außerdem wird sehr vorsichtig mit etwa 2 Eßlöffeln Zucker auf fünf Kilogramm Beeren etwas gesüßt.

In jüngerer Zeit scheint das Interesse an Holunder (wie auch an anderen Wildfrüchten) etwas zugenommen zu haben. Das ist erfreulich, allerdings holen sich manche auch Rat bei Quellen, die nicht ganz zuverlässig sind und alte "Volksweisheiten" wieder aufwärmen. Blätter und Wurzeln sind keinesfalls für irgendelche Zwecke einsetzbar, Blüten und Früchte allerdings sind es. Nur sollte man sich nicht dazu verführen lassen, Holunder als "Heilpflanze" anzusehen, auch wenn er ein paar wenige gesundheitsfördernde Bestandteile aufweisen mag.

Viele Wildfrüchte zeichnen sich durch einen hohen Gehalt an Vitaminen und/oder Fruchtsäuren aus. Das ist beim Schwarzen Holunder etwas anders. Natürlich enthält er ein paar Vitamine (wenn auch weniger als einfache Äpfel), aber nur sehr, sehr wenig Fruchtsäuren. Dafür ist der Kalium-Gehalt enorm hoch. Von den Inhaltsstoffen her gibt es bis auf ein paar Flavonoide (die tatsächlich einen geringen "Antiaging-Effekt" haben können, also das Altern von Körperzellen verzögern) und dieses Kalium nichts, was ihn als besonders "gesund" hervorheben müßte. "Gesund" ist am Holunder, daß man zur Ernte eben ein bißchen an Wald- und Wiesenrändern herumtoben muß. Und wenn es auch etwas Arbeitsaufwand bedeutet: letzten Endes ist er in nahezu unbegrenzter Menge verfügbar und das Ergebnis aller Mühen ist ein wohlschmeckender Saft.